22. 10. 2014

Defense Grid 2

Tower Defense

Ursprünglich auf Polyneux gepostet.

Warum Defense Grid 2 ein so gutes Spiel ist

Wenn ich eine Liste über alle bisher in meinem Leben gespielten Tower Defense Spiele führen würde (…wer tut denn so was? Das wäre ganz schön albern…), wäre Defense Grid 2 die Nummer 74. Und mein neuer Favorit.

Was macht ausgerechnet diesen Vertreter meines Lieblingsgenres so gut, dass er sich gegen eine solch stattliche Konkurrenz durchsetzen konnte? Ich habe während einiger besonders langwieriger Super Grinder Level darüber nachgedacht und kam dabei auf drei ausschlaggebende Punkte, die Tower Defense für mich zu einer spaßigen und frustfreien Angelegenheit machen. Sozusagen die drei Wünsche, die ich einem mir ergebenem Tower Defense Flaschengeist nennen würde.

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Verschwende nicht meine Zeit!

Die größte Gefahr, die jedes Tower Defense Spiele in sich birgt, ist, dass man zu früh den Punkt erreicht, an dem man sich nur noch zurücklehnen kann. So schön das Gefühl anfangs ist, wie ein erfolgsverwöhnter Feldherr zuzusehen, wie die eigene Taktik aufgeht, kann das schnell langweilig werden. Irgendwann ist der Monitor geputzt, man hat die Ablage gemacht und die Katze hat sich wegen der unverhofft ausgiebigen Streicheleinheiten verzogen. Allerdings ist es ein weit verbreitetes Problem des Spielprinzips, dass man selbst bei gutem Balancing während der letzten Gegnerwellen wenig zu tun hat. Solche Titel ausgenommen, bei denen man selber herumlaufen und den Kampf beeinflussen kann. Die haben mich aber als Purist abgesehen von dem genialen Pixeljunk Monsters nie gereizt. Bei Tower Defense sollen gefälligst meine Tower defensen, da mache ich mir doch die Hände nicht schmutzig.

Was tut man als Entwickler also, um das gelangweilte Starren auf die Anzeige der verbliebenen Waves zu vermeiden? Der falsche Weg ist es, den Spieler künstlich mit Idiotenarbeit zu beschäftigen, während seine Türme kämpfen. Ein ganz schlimmes aus dem Mobile-Bereich übernommenes Prinzip ist, dass man von den Gegnern ausgespuckte Credits selber einsammeln muss. Was soll das bitte? Hat Caesar etwa persönlich jeden besiegten Barbaren um seine Kupfermünzen erleichtert? Wenn mich ein Spiel dazu auffordert, wie ein unterforderter Schimpanse in einem Versuchslabor leuchtendes Gedöns anzuklicken, werde ich schnell trotzig.

Der richtige Weg ist, dem Spieler volle Kontrolle über die Zeit zu geben. Ja, so einfach ist das… das macht eine Menge aus. Er muss nicht nur pausieren, sondern auch vorspulen können – und das bitte in mehr als 1,5-facher Geschwindigkeit. Bei Defense Grid 2 kann man in den Optionen selber entscheiden, wie schnell die Vorspul-Taste spulen soll. Wenn man so gut plant, dass man in den letzten Wellen nichts mehr zu bauen hat, dann sollte man dafür nicht bestraft werden, indem man gezwungen wird, es auszusitzen oder Geschirr spülen zu gehen. Außerdem gibt es bei Defense Grid die Möglichkeit, mit der Backspace-Taste Welle für Welle zurückzuspringen, um Fehler direkt rückgängig zu machen, ohne den Level komplett neu starten zu müssen. Ein äußerst angenehmes Feature, das ich mir in mehr Spielen wünschen würde.

Ein weiterer oft unterschätzter Punkt ist die Anzahl der Gegnerwellen. Es dürfen nicht zu wenige sein, denn schließlich möchte man sich eine imposante Verteidigungsanlage aufbauen und zumindest einen Teil der Türme auf den Maximallevel bringen. Aber was habe ich neulich bei Radiant Defense gelitten… 50 Waves, die sich ewig hinziehen, weil zwischen jeder automatisch pausiert wird! Und jedes Mal muss man wieder neu aktivieren, dass man die Geschwindigkeit erhöhen möchte. Ein absolutes Negativbeispiel in Sachen Spielerzeitvergeudung.

Zu guter Letzt noch ein Rat aus Spielersicht an alle, die ein Tower Defense Spiel planen: Wenn ihr keine gute Story habt, dann lasst sie lieber ganz weg, als auf Teufel komm raus irgendeinen 08/15 Sci-Fi oder Fantasy Stoff einzubauen. Meine Lieblingsspiele aus diesem Genre, Defense Grid 1/2 und Defender’s Quest, haben das Glück, dass sie sympathische Charaktere haben, die einen bei der Stange halten. Aber die meisten Konkurrenten langweilen einfach nur mit uninspirierten Texttafeln, die man entweder komplett ignoriert, oder bei denen man sich hinterher darüber ärgert, dass das Lesen Zeitverschwendung war. Selbst Defense Grid 2 begeht diesen Fehler zwischendurch, aber zum Glück nur während der Ladebildschirme. Dabei ist es keine Schande, wenn ein Strategiespiel keine seitenlange Hintergrundgeschichte zu bieten hat. Man kann sich auch durch ein phantasievolles Leveldesign und neuartige Spielelemente hervortun, gerade in einem Genre, das eher etwas „für zwischendurch“ ist.

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Sei übersichtlich!

Leveldesign, wichtiges Stichwort. Möchte ich Solitär an einem Tisch aus der Egoperspekive spielen? Nein, eher nicht. Ähnlich verhält es sich mit Tower Defense Spielen. 3D ist eine nette Sache, aber nicht für jedes Genre praktisch. In einem fordernden Strategiespiel ist es wichtig, dass man jederzeit alles im Blick hat. Ständiges Herumgescrolle, knallige Effekte, Kameraschwenks und verschachtelte Maps stören dabei nur und mindern deshalb auf lange Sicht den Spielspaß. Die besten Tower Defense Spiele bleiben deshalb meiner Meinung nach bei einer festen Perspektive von oben. Und bevor mir jetzt jemand mit Sanctum kommen will – lasst es besser bleiben. Ehrlich gesagt hat mich dabei nämlich nach wenigen Minuten die Motion Sickness in die Knie gezwungen. Die Defense Grid Reihe hat, finde ich, den perfekten Zwischenweg gefunden, denn trotz 3D-Grafik wirken die Level weder unübersichtlich noch potthässlich. Und man muss nur wenig scrollen, um alles überblicken zu können. Ich frage mich sowieso, ob jemals jemand Tower Defense in der herangezoomten Variante gespielt hat? Ich stelle immer die weiteste Zoomstufen ein.

Aber nicht nur die Map muss gut gestaltet sein. Die verschiedenen Arten von Türmen sollten leicht voneinander unterscheidbar sein, und auch eventuelle Upgrades sollten kenntlich gemacht werden, ohne dass man den Turm jedes Mal extra anlicken muss. Auch eine Sache, die mir an Defense Grid 2 gut gefällt. Und nein, wir brauchen keine 100 Türme. Das erschwert bloß das Balancing und sorgt dafür, dass sie sich zu wenig unterscheiden. Das war der Grund, warum ich mich mit dem ansonsten ziemlich guten Sol Survivor nicht anfreunden konnte. Akzeptabel finde ich hingegen den Ansatz, eine geringe Anzahl von Grundtypen individuell anpassen zu können.

Hier ist übrigens leise Kritik in meiner Lobeshymne angebracht… Defense Grid 2 schenkt einem hin und wieder beim Abschluss eines Levels besondere „Skills“ für die verschiedenen Turmtypen, die man diesen dann zuordnen kann. Sie sorgen beispielsweise für Boni gegen bestimmte Gegnertypen oder zusätzlichen Giftschaden. Einerseits eine nette Belohnung, andererseits stößt es mir ein wenig sauer auf, dass das System nicht ausreichend erklärt wird (SpielerZwei und ich bemerkten es beide erst nach mehreren Leveln der Kampagne) und es zufallsabhängig ist. Zwar kann man auch in einer Art „Wettbewerbsmodus“ um Highscores spielen, bei der diese Boni nicht genutzt werden dürfen, aber die meisten wählen natürlich einfach den Standardmodus. Hier wären wir wieder bei de Punkt „Zeitverschwnedung“. Wenn ich die Kampagne bereits komplett durchgespielt und dort meine Highscores aufgestellt habe, möchte ich nicht alles in einem extra Modus noch einmal spielen, wenn dieser nicht durch wirklich attraktive Herausforderungen lockt. Das Skill-System für Türme stört nicht wirklich, aber es wirkt auf mich in einem Spiel, das ansonsten so viel Wert auf Planbarkeit legt, etwas unpassend.

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Belohne Effizienz!

Worauf kommt es bei Tower Defense eigentlich an? Dass die Gegner nicht durchkommen. Aber wie man das schafft, kann sich entweder befriedigend oder beliebig anfühlen. Und ich meine jetzt nicht bloß die offensichtlichen Fälle, bei denen der Schwierigkeitsgrad beleidigend niedrig gehalten wird, um ihn dann im vorletzten Level plötzlich anzuziehen. Es gibt viele Spiele, bei denen es völlig egal zu sein scheint, wo man welchen Turm platziert. „Masse statt Klasse“ sollte aber eigentlich nicht der Weg zum Ziel sein, der belohnt wird. Im Idealfall funktioniert er überhaupt nicht. Ein wirklich gutes Tower Defense Spiel vermittelt mir, dass ich möglichst wenig Türme brauche und den vorhandenen Platz richtig nutzen muss. Effizienz eben. Außerdem sollte es einen nachvollziehbaren Unterschied machen, welchen Turm ich an welcher Stelle platziere. Bei Defense Grid habe ich für manche Goldmedaillen lange tüfteln müssen, aber wenn man es dann schafft, denkt man sich: „Recht hast du, Spiel, das macht Sinn.“.

Damit zusammen hängt auch die Qualität des Punktesystems. In den meisten Tower Defense Spielen ignoriere ich die Punkte komplett. Ein Spiel, bei dem nach 50 Gegnerwellen die ganze Map mit Türmen zugepflastert ist, motiviert mich normalerweise nicht dazu, den Level noch einmal für eine geringfügig bessere Punktezahl zu starten. Denn wo soll ich da ansetzen? Defense Grid und seinem Nachfolger hingegen gelingt es, dass mir meine Highscores etwas bedeuten. Ich verstehe nämlich, was ich besser machen kann, und es macht Spaß, an diesen Kleinigkeiten zu feilen. Ein Türmchen weniger hier, dafür den da hinten aufgelevelt… Aber alleine macht das natürlich trotzdem keinen großen Spaß. Deshalb behalte ich die Punkte meiner Freunde immer im Auge und freue mich über jeden, den ich schlagen kann. Das sorgt auch nach dem Durchspielen der Kampagne noch für Langzeitmotivation.

Dass die Highscore-Jagd solchen Spaß macht, liegt bei Defense Grid 2 außerdem daran, dass man live während des Spielens die Punkteentwicklung seiner Freunde für diesen Level eingeblendet bekommt. So kann man direkt gegensteuern, wenn man zurückfällt, und es ist ein unglaublicher Nervenkitzel. Ein sehr gelungenes System! Ich will nie wieder Punkte erst am Ende eines Levels vergleichen müssen.

Aber auch bei Defense Grid 2 gibt es noch Raum für Verbesserungen. Leider konnten mich die Multiplayer-Modi nicht wirklich überzeugen. Weil man nicht vorspulen kann, ziehen sich die Level dann sehr. Und wirklich flüssig läuft es online auch nicht, mein Lüfter röhrte ganz bedenklich und es kam beim Scrollen zu unschönen Rucklern. Also doch lieber zurück zur einsamen Highscore-Jagd. Aber von der kleinen Multiplayer-Enttäuschung abgesehen bin ich sehr angetan und freue mich jetzt schon auf mögliche Erweiterungen mit neuen Maps. Wer sich auch nur ansatzweise für Tower Defense begeistern kann, kommt um Hidden Paths Defense Grid 1 und 2 nicht herum.

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