Ihr schon wieder. Kaum sitze ich ein paar Minuten im Park vor dem Kino, fange ich mir einen Grasfloh oder irgendein vergleichbares Insekt ein, das mich komplett zerbeißt. Es ist jedes Jahr das selbe! Wahrscheinlich bin ich ihre einzige Nahrungsquelle, und sie warten schon immer zur Festivalzeit auf mein Erscheinen, um sich an meinem Blut zu laben. Dann schlafen sie ein Jahr ihren Rausch aus. Vielleicht sollte ich den Park in Zukunft wirklich meiden. Aber bei vier Filmen am Stück brauchte ich am Samstag zwischendurch etwas frische Luft und einen Tapetenwechsel. Da die Pausen zwischen den Filmen extrem knapp ausfallen, ist nicht viel mehr möglich, als schnell über die Straße zum nächsten Park zu laufen. Mit 13:30 h war es übrigens der am frühsten beginnende Filmfesttag. Kein Wunder, schließlich standen gleich mehrere Filme mit einer Laufzeit von um die 2 Stunden auf dem Programm. Das macht insgesamt 7,45 Stunden im Kinosaal.
They call me Jeeg Robot erzählt von einem italienischen Kleinkriminellen, der Superkräfte entwickelt. Wird sich der unsympathische Einzelgänger zum strahlenden Helden entwickeln? Ein Publikumsfavorit ist der Film schon mal, aber ich hatte mir etwas mehr erhofft. Vor allem etwas “verrückteres”. Übrigens: In der Ansage vor der Vorstellung erfuhren wir, dass Rosebud gewisse Vorurteile gegenüber italienischen Filmen hegt. Anscheinend bekamen sie in der Vergangenheit viele qualitativ minderwertige Produktionen angeboten. Dieses Jahr sind aber immerhin zwei Italiener im Programm vertreten.
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The Lesson kombiniert Jugenddrama mit Torture Porn und Sozialkritik. Die Handlung bot mir aber leider zu wenig, denn vieles wird unnötig in die Länge gezogen oder wiederholt. Schade um den guten Ansatz. Was den Blutgehalt angeht, ist dieser Film aber trotz seines trügerisch ruhigen Anfangs bisher der spritzigste des Festivaljahrgangs. Es ist außerdem der einzige Film von einer weiblichen Regisseurin. Lustig, dass ich vorher gelesen hatte, dass es bestimmt kein Torture Porn wird, weil ja eine Frau Regie führt. Auch Frauen suhlen sich manchmal in Gewalt.
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Psycho Raman war ein indischer Serienkiller, den es wirklich gab. Dieser Film handelt nicht von ihm. Stattdessen geht es um einen sichtlich gestörten Nachahmungstäter und einen verkommenen Polizisten, der ihm auf der Spur ist. Ein brutaler, dreckiger, deprimierender Film, der durchgehend zu fesseln weiß. Man verabscheut die Charaktere und ist trotzdem fasziniert von dem, was sich vor einem ausbreitet. Da “Psycho Raman” als Centerpiece lief, war es übrigens seit dem Eröffnungsfilm die am besten besuchte Vorstellung.
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The Girl with all the Gifts basiert auf einem erfolgreichen Roman, und das ist für einen Zombiefilm anscheinend eine gute Voraussetzung. Er hat frische Ideen zu bieten, und Charaktere, die nicht einfach nur gut oder böse sind. Außerdem macht die kleine Hauptdarstellerin ihre Sache sehr gut. Mein Highlight des Tages und hinter Swiss Army Man bisher der beste Film des Festivals. Gab auch brav Applaus hinterher und die Vorstellung war sehr gut besucht.
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Trends des Tages:
– 3 von 4 Filmen bieten fast nur unsympathische Arschloch-Charaktere (das zieht sich schon durch die vorherigen Tage des Festivals)
– 3 von 4 Filmen enthalten unangenehme Sexszenen, in denen die Frau eigentlich nicht (mehr) will, und das Ganze deshalb die Grenze zur Vergewaltigung streift
Lobenswert ist, dass in Frankfurt bei gut besuchten Filmen ein extra Eingang für Dauerkartenbesitzer eingerichtet wurde. Die zweigeteilte Schlange hilft bei dem Gedränge vor dem Saal. Vier Filme ohne Pause schlauchen dann aber auch ohne den Kampf um die besten Plätze ziemlich. Ich warf mich, nachdem ich heim gekommen war und erste Reviews runtergetippt hatte, müde ins Bett, um Sonntag Morgen zu einem heftigen Regenschauer aufzuwachen. Das Sommerwetter der letzten Tage hatte zumindest vormittags ungemütlichen Wassermassen Platz gemacht, aber da ich eh wieder einen Großteil des Tages im Kinosaal zubringen würde, war das nicht tragisch. Diesmal standen ein ruhiger Zombiefilm, Get Shorty und mein persönlicher Favorit “Under the Shadow” auf dem Programm.
Here Alone zeigt uns den Alltag des Überlebens nach der Zombieapokalpyse. Seine ruhige Art hat das Publikum gespalten, aber zum einmal ansehen fand ich ihn spannend genug. Freunde von ruhigen Zombiestreifen können einen Blick riskieren, es besteht aber auch Einschlafgefahr, wenn man mit den falschen Erwartungen in den Film geht.
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Get Shorty ist das Kurzfilmprogramm des Festivals. Dieses Jahr wird zum ersten Mal ein Preisgeld von 1.000 € für den besten der 10 Kurzfilme verliehen, und das Publikum darf abstimmen. Die Auswahl war eine bunte Mischung und insgesamt von hoher Qualität. Nur mit dem Zombiebeitrag konnte ich nichts anfangen. Am besten gefielen mir die herrlich absurden Kurzfilme “Interesting Ball” (hier legal in voller Länge zu sehen) von den “Swiss Army Man” Regisseuren und “Seth” (hier legal in voller Länge zu sehen). Außerdem gab es den gelungenen Gruselbeitrag “Kookie” (Trailer) besonders gut. Ein Publikumsliebling war der schwarzhumorige “The Black Bear” (Trailer) mit Splattereinlagen. Klar, so etwas geht immer auf dem FFF. Es gab außerdem zwei stilistisch sehr gelungene Animationsfilme, die mir aber inhaltlich nicht ganz so sehr zugesagt haben, einen Beitrag über Virtual Reality und einen vor allem auf Ekeleffekte ausgelegten Kurzhorror.
Under the Shadow war der Film dieses Festival Jahrgangs, auf den ich am meisten gespannt war. Und er liefert tatsächlich eine sehr interessante Mischung, weil er neben einer klassischen Geistergeschichte auch vom Leben im kriegsgebeutelten Iran der 80er Jahre erzählt. Die Spukszenen alleine sind okay, aber wirklich spannend und bedrohlich wird der Film meiner Meinung erst durch sein Setting.
Kleines Ärgernis: Wieso muss man, wenn einem ein Film nicht gefallen hat, das durch gekünstelt lautes Lachen an ernsten Stellen oder Zwischenrufe beim Einsetzen der Credits herumposaunen? Gerade von Stammgästen ist das peinlich. Da fand anscheinend jemand, dass sein Eindruck wichtiger ist, als der von allen anderen im Saal.
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Ich habe kurz überlegt, danach noch “Imperium” mitzunehmen, aber das in meine Twitter Timeline sickernde Wahlergebnis hat mir das Thema Neonazis etwas madig gemacht. Zu viel bittere Realität muss ja auch nicht sein. Ich holte mir also noch schnell Fast Food, fuhr nach hause und machte mich ans Reviews schreiben. Die nächsten Tage haben seltsamerweise nur extrem wenige Filme zu bieten, die mich interessieren. Ohne Dauerkarte hätte ich mir davon wahrscheinlich keinen angesehen. Aber das lässt viel Raum für positive Überraschungen, und ab Freitag hauen sie dann noch meine letzten Favoriten raus.