17. 06. 2014

Der Spanner vor’m 3DS

Tomodachi Life

Ursprünglich auf Polyneux gepostet.

Phase 1: Vorfreude

Vor einer Weile tauchte ein Trailer bei Nintendo auf, der das merkwürdige 3DS Spiel Tomodachi Life vorstellte. Ich war begeistert! Was für ein absurder Quatsch! Haben muss! Die Reihe erfreut sich angeblich großer Beliebtheit in Japan, und Japaner können bekanntlich nicht irren, wenn es um schrägen Humor geht. Außerdem hatte ich die letzten Monate täglich mit Animal Crossing: New Leaf zugebracht und fühlte mich deshalb bereit für einen neuen simulierten Lebensabschnitt. Also habe ich das Objekt der Begierde sofort vorbestellt und die nächsten Wochen in ungeduldiger Vorfreude verbracht, bis das Päckchen endlich im Briefkasten lag.

Phase 2: Irritation

Beim ersten Start wird man dazu aufgefordert, sich selber als Mii zu importieren und passende Charaktereigenschaften zuzuweisen. Diese bestimmen später vor allem, wie gut die Bewohner der Tomodachi Insel miteinander auskommen, denn Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt an. Wieder einmal fragte ich mich, weshalb Nintendo seinem Mii Maker nicht hin und wieder neue Frisuren oder zumindest Farben spendiert, denn immerhin nutzen immer mehr Spiele die kleinen Kerlchen. Eine verpasste Chance, wenn man bedenkt, was für geniale Schöpfungen Fans damit bisher schon zusammenbasteln. Ein Highlight der Charaktererstellung ist allerdings die Sprachausgabe, denn in diesem Spiel wird wirklich jeder Satz gesprochen und die Computerstimmen klingen nicht nur ziemlich witzig, sondern sind auch erstaunlich gut zu verstehen. Damit Namen richtig ausgesprochen werden, darf man zusätzlich sogar eine Lautschrift-Variante angeben. Danke, Nintendo! Ich zucke nämlich immer noch jedes Mal zusammen, wenn mich ein gewisser Quizmaster drüben auf der PS3 mit „Dschanina“ anspricht.

Mii ZiB zog also ein, und an dieser Stelle wunderte ich mich. Wieso konnte ich sie weder steuern, noch ihr Kommandos oder zumindest Empfehlungen geben, was sie tun sollte? Man kann die Miis, wenn sie sich in ihrem Zimmer befinden, füttern, einkleiden oder ihnen bestimmte Objekte geben, mit denen sie dann in einer kurzen Zwischensequenz interagieren. Hin und wieder fragen sie auch nach meiner Meinung, vor allem bei Beziehungsfragen. Aber die Interaktivität ist sehr eingeschränkt und deshalb sollte sich jeder den Kauf gut überlegen, der eine vollwertige Lebenssimulation wie Animal Crossing oder Die Sims erwartet. Bei Tomodachi Life ist man eher der passive Beobachter. Humoristisches Highlight ist immer das, was die Bewohner ohne einen unternehmen, ihre zufälligen Gedanken und Sprüche, die sie von sich geben. Was die Spielmechaniken angeht, hat Tomodachi nicht so viel zu bieten, wie ich gehofft hatte.

Phase 3: Spaß

Tomodachi LifeGlücklicherweise legte sich meine erste Enttäuschung, als ich mehr Miis ins Spiel holte (Tipp: Je mehr, desto besser), neue Orte auf der Insel freischaltete und so mehr zu sehen bekam. Unglaublich, wie viel Phantasie in diesem Spiel steckt, da hat sich Nintendo mal wieder selber übertroffen! Der Trailer hatte nicht übertrieben, sondern man trifft immer wieder auf obskure Situationen. Dabei sind es meistens nicht einmal total unrealistische Szenen, mit denen man konfrontiert wird, sondern alltägliche Aktionen wie das Baden sind in einer Art und Weise umgesetzt worden, dass man darüber lachen muss.

Apropos Baden: Bei Tomodachi muss man sich keine Sorgen machen, dass ein Mii stinken oder verhungern könnte. Sie können anscheinend nicht sterben und sie zu vernachlässigen hat keine negativen Folgen. Es gibt zwar Aufgaben, die sie einem geben, aber diese zu erfüllen bringt vor allem Geld ein und ist keine Pflicht. So kann man ganz ungezwungen den Tag damit zubringen, die Insel zu erkunden. Es gibt Läden, in denen man einkaufen kann, öffentliche Plätze für die Miis und Spezialgebäude, wie etwa ein Fotostudio. Erinnerungs-Screenshots sind allgemein etwas, was sehr gefördert wird, denn die Buttons X und Y sind so belegt, dass man ihnen jederzeit im Spiel den oberen und unteren Bildschirm einzeln ablichten kann. Wer mag, kann sie vom Spiel aus direkt bei Twitter, Facebook oder Tumblr hochladen. Wer hingegen eher was fürs Ohr als fürs Auge sucht, der kann seine Miis zum Beispiel auf einer Bühne auftreten lassen, wo sie perfekt choreographierte Songs aus verschiedenen Genres zum Besten geben. Hierbei darf man sogar die Texte selber verändern.

Mir persönlich gefallen die Träume und Nachrichtensendungen am besten, aber es ist auch spaßig, einfach nur zuzusehen, wie sich bekannte Figuren unterhalten, die man ins Spiel geholt hat. Ich habe zuerst neben einer Hand voll Freunden die Lannisters aus Game of Thrones, Sherlock, Mulder und Scully nachgebaut. Zur Inspiration kann ich übrigens miicharacters.com sehr empfehlen, wenn ihr nicht alles alleine bauen wollt. Wenn dann die Sprüche zufällig zum Charakter der Vorlagen passen, merkt man, was der eigentliche Sinn von Tomodachi ist: Es geht weniger darum, eine realistische Simulation zu sein, als einfach nur lustige Situationen zu erzeugen. Eine riesige Seifenoper, bei der man gespannt ist, was als nächstes für Quatsch passieren wird. Vor diesem Hintergrund macht es auch Sinn, dass man keinen Mii selber steuert, denn sie leben halt ihr eigenes Leben, das man beobachtet. Sie sprechen mich übrigens immer nur mit „Ebenbild von ZiB“ an, weil die ZiB im Spiel für sie natürlich die echte ZiB ist, und ich nur die Kopie. Da kann man schon eine leichte Identitätskrise bekommen…

Phase 4: Ernüchterung

Inzwischen ist eine Woche vergangen, in der ich meine Miis umsorgt und viel gelacht habe. Nur leider muss ich mir jetzt eingestehen, dass Tomodachi Life zwar eine unheimlich sympathische, ausgefallene und witzige Wundertüte ist, dass die Langzeitmotivation aber sehr zu wünschen übrig lässt. Zumindest bei mir. Ich habe das Gefühl, das meiste Lustige gesehen zu haben, denn vieles wiederholt sich und ich spiele eigentlich nur noch, um Items zu sammeln und doch noch die eine oder andere Neuigkeit zu erwischen. Man merkt außerdem, dass kaum etwas was man tut, längerfristige Auswirkungen hat. Man kann eine Menge machen, aber zu wenig davon ist in irgendeiner Form fordernd. Die Aufgaben, die einem die Miis stellen, bestehen meistens aus Wünschen nach neuer Kleidung oder Essen, was man dann einfach im Laden kauft. Zwischendurch fordern sie einen zu einem Minispiel heraus, diese laufen aber auf dem Niveau von Memory ab und sind im Vergleich zum Rest des Spiels erstaunlich unlustig. Man kann zwar unheimlich viele Objekte sammeln, allerdings wird mich der Sammeltrieb alleine nicht mehr lange bei der Stange halten. Selber wie bei den Sims oder Animal Crossing kreativ werden, indem man eine eigene Möbilierung für die Wohnung zusammenstellt oder seine Kleidung gestaltet, darf man nicht. Auch einen richtigen Multiplayermodus sucht man vergeblich, es können nur Miis oder Objekte ausgetauscht werden. Offensichtlich wurden alle Ressourcen in die Videosequenzen gesteckt, damit die Miis möglichst viel erleben können.

Fazit:

Wem kann ich Tomodachi Life also empfehlen? Eigentlich jedem, der an skurrilen Szenen Spaß haben kann. Allerdings ist der Preis dafür alleine etwas happig. Sich das Spiel für ein paar Tage auszuleihen dürfte den meisten eher etwas bringen, wenn ihr also die Gelegenheit dazu habt, dann macht es unbedingt. Um länger davon gefesselt zu werden, sollte man hingegen eine wirklich ausgeprägte Vorliebe fürs Zusehen mitbringen, sonst wird es schnell in der Ecke landen.

P.S.

Wahrscheinlich sollte ich zum Schluss noch kurz auf die Kontroverse eingehen, die Tomodachi Life vor einigen Wochen wegen seines Umgangs mit Homosexualität losgetreten hat. In der japanischen Version war es angeblich anfangs möglich, dass zwei Miis des gleichen Geschlechts sich verlieben und sogar heiraten. Außerdem hieß es, dass dieses Feature als Bug angesehen und von Nintendo herausgepatcht worden war. Verständlicherweise führte diese Meldung zu Empörung, denn Schwule und Lesben als „Bug“ zu bezeichnen, wäre ziemlich daneben. Allerdings ging leider unter, dass die ganze Geschichte auf einem Missverständnis beruhte. Nintendo erklärte in einem Statement, dass homosexuelle Beziehungen nie möglich gewesen seien, sondern dass manche Screenshots nur diesen Eindruck erweckten, weil man die Frisuren und Kleidung der Miis unabhängig vom Geschlecht wählen kann. Ein männlicher Mii kann also wie ein weiblicher aussehen und umgekehrt. Dazu kam ein tatsächlich existierender Bug, der gepatcht werden musste, weil er den Spielstand zerstörte. Er konnte dafür sorgen, dass Miis zufällig ein beliebiger Mii als Partner zugewiesen wurde, ohne dass man es wollte. Dies war aber nur ein Nebeneffekt und der eigentliche Grund für den Patch war, dass man das Spiel danach nicht mehr speichern konnte. Die ganze Situation war also nicht so skandalös, wie sie gewirkt hat. Nintendo musste sich trotzdem die Frage gefallen lassen, weswegen es denn keine gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt. Ihre Antwort war, dass Tomodachi nie als realistische Lebenssimulation angelegt war, und sie sich nichts weiter dabei gedacht haben. Und ganz ehrlich… nachdem ich Tomodachi selber gespielt habe, glaube ich ihnen das. Es ist eine sehr vereinfachte, verrückte Variante einer Simulation, die nicht viel mit den Sims gemeinsam hat. Dort finde ich auch, dass homosexuelle Beziehungen dazu gehören, weil der Realismusanspruch ein ganz anderer sind. Aber in Tomodachi kann man sich nicht einmal aussuchen, welchem Beruf man nachgehen möchte, weil es sich eben nur um eine naive Fantasiewelt handelt, die eine Bühne für unterhaltsame Szenen sein soll. Dennoch entschuldigte sich Nintendo dafür, so viele Fans enttäuscht zu haben, und versprach, in einer möglichen Fortsetzung an das Thema zu denken. Ein feiner Zug, wenn man mich fragt, der nicht selbstverständlich ist. So wird die Geschichte bestimmt doch noch ein Happy End finden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert